Nun liegen ja bereits einige wunderschöne Herbsttage hinter uns.
Es hatte 20C° und wärmer, die Sonne hat uns mit wunderschönen Sonnenuntergängen und spektakulären Himmelfärbungen beglückt und uns sogar die Gelegenheit geschenkt, all die ungetragenen Sommerkleider doch noch auszuführen.
Nicht nur die Sonne, auch die Natur schenkt uns momentan ihren letzten Abschiedsgruß.
Beim Sonntagspaziergang durchwaten wir Laubhügel, treten gelegentlich auf knacksende Äste und beobachten schaulustig das bunte Treiben der herabfallenden Blätter.
Wir sehen, wie sie langsam zu Boden reisen. Sehen, wie der Wind sie umwirbelt und ihren kleinen Tanz noch etwas länger währen lässt, bis sie schließlich sanft und anmutig auf der Erde landen.
Ein anschauliches Spiel.

Der Herbst ist wirklich schön anzusehen.
Doch der Herbst ist auch kurz. Viel kürzer meist als der schier endlose Winter. Viel kürzer auch als der Sommer. So kommt es einem zumindest vor.
Wir wissen: Das Blätterfallen ist nur eine Momentaufnahme. Ein kurzer Augenblick. Ein Wimpernschlag.
Das, was da fällt, kommt so nicht wieder. Du kannst das Laub zwar aufheben und zwischen die Seiten deines dicksten Buchs legen, um es für immer zu konservieren. Aber das meiste wirst du auf einen Haufen kehren und warten.
Warten, bis es irgendwann schließlich unter einer großen Schneedecke verschwindet.
Herbst bedeutet: Loslassen.
Im Herbst plagt mich immer ein wenig Abschiedsschmerz.
Obwohl die Tage des laufenden Jahres längst nicht gezählt sind, werde ich langsam melancholisch und versuche meine Gedanken zu sortieren.
„Der Sommer – schon wieder vorbei? Wie kann das sein?“, frage ich mich laut, als ich auf den Balkon gehe und die vom großen Ahornbaum heruntergefallenen Blätter aufsammel. Ich betrachte sie. Eine Weile. Denn ich liebe den Herbst, wenn er sich von seiner guten Seite zeigt. Mag ganz besonders das Knistern unter den Schuhen, wenn man über das Laub läuft.
Aber sollte das nicht – wieder mal – der Sommer meines Lebens werden? Hatte ich nicht geplant, zu reisen, die heißen Tage wie früher im Freibad zu verbringen und dabei Pommes und Eis zu essen? Hatte ich nicht so vieles vorgehabt, geplant, aufgeschrieben?
Hatte ich.
Stattdessen?
Ist vieles liegen geblieben.
Ist manches gelb, dann braun geworden.
Ist das ein oder andere hinten runter gefallen.
Dort bleibt es jetzt liegen. So lange, bis der Schnee es irgendwann bedeckt.
Bis es irgendwann keiner mehr vermisst, weil keiner mehr dran denkt. Also keiner – aber vor allem ich nicht.


Herbstlich(t)
„Weißt du“, sag ich dann zu mir selbst, (was an sich ja schon nur haarscharf am Wahnsinn vorbeischrammt), „vielleicht ist es gar nicht so schlecht, einmal im Jahr loszulassen.“
Ich begreife nicht.
„Na, all das, was du im Sommer auf dich geladen hast. All die Ideen, Pläne, all die Vergleiche, Zwänge, die gescheiterten und geglückten Versuche, dein fortwährendes Bestreben, deine Sache gut zu machen. Vielleicht soll das so sein, weißt du, dass du dann und wann die Chance bekommst, zu entrümpeln.“
So langsam verstehe ich, worauf das hinaus läuft. Aber ich antworte mir trotzig: „Ja, das klingt ja toll – in der Theorie, aber ich wollte halt unbedingt in den Urlaub und hab’s wieder nicht geschafft. Ich find das nicht fair. Weißt du eigentlich, wie frustrierend das ist, wenn man so viel vorhatte, und dann feststellt, wie wenig man wirklich umgesetzt hat?“
Nun schreie ich beinah.
„Wie wenig hast du wirklich umgesetzt?“, lache ich zurück, „du hast so unfassbar viel geschafft!
Lediglich dein Fokus hat sich verschoben und dabei ist es doch völlig normal, dass du das ein oder andere Ziel zurücklassen musstest.
Mit dem Loslassen ist es so, wie mit dem Herbst: Deine erfolgreichsten Projekte kannst du aufheben – wie die Ahornblätter – und sie zwischen die Seiten deines dicksten Buches legen, um sie für immer zu konservieren. Aber die meisten Ziele und Pläne wirst du auf einen Haufen kehren und warten. So lange, bis sie irgendwann unter einer großen Schneedecke verschwinden. Und genau das ist deine neue Leinwand. Das Spiel beginnt von vorn. Ein Kreislauf.
Wichtig ist: Gib dem Herbst die Chance auszudünnen. Lass‘ mit ihm gemeinsam los. Der Herbst bringt Licht.
Herbstlich(t).“
Ich schlucke. Doch ich weiß, dass das stimmt.
Loslassen? Loslassen.
Und plötzlich? Freiheit. Erleichterung. Frieden. So innerlich.
Aber meine schönsten Einnerungen hebe ich auf, um sie zwischen die Seiten meines dicksten Buches zu klemmen.



1 Kommentieren
Hallo meine liebe Jojo!
Wie wunderschön du diesen Beitrag wieder geschrieben hast, voller Leben, Energie und ja – voller Herbst.
Heute Morgen stand ich am Fenster und habe mich tatsächlich fast erschrocken, wie kahl die großen Bäume doch schon sind. Auch wenn noch überall Laub liegt, so kündigt sich doch still und heimlich der Winter an. Und ein wenig muss ich wohl jetzt auch loslassen.
Nach dem Sommer fiel es mir extrem schwer ihn gehen zu lassen. Weil wir hier wirklich keinen hatten. Es war ständig grau und nass. Dann ließ ich ihn gehen und habe mich so auf den Herbst gefreut. Nun ist auch der schon wieder fast vorbei. Es gehört wohl einfach dazu. Jetzt ist wirklich die Zeit um Dinge neu zu organisieren, sich selbst ein wenig wieder zufinden. Damit man genau diesen Frieden, von dem du schreibst, findest 🙂
Ich wünsche Dir einen gemütlichen Abend und morgen einen tollen Start in die neue Woche!
Liebste Grüße an Dich! ♥ Saskia von Dem Wind entgegen