Kalopsia [noun]
a delusion in which things appear more beautiful than they really are
April.
Ein sonniger Tag.
Das Thermometer im Auto zeigt fast 25C° an – und ist davon wohl selbst ziemlich überrascht.
Wir fahren in Richtung Stadt.
Wollen einen Ort besuchen und fotografieren, der uns wie gemalt vorkommt.
Haben schon viel davon gehört. Viele Fotos gesehen, die die wundervolle Kulisse abbilden.
Als wir dort sind, sehen wir sie endlich:
Die Kirschblütenbäume, die die Wegesränder eines kleinen Parks mitten in der Stadt zieren und ihn damit in eine rosafarbene Hülle kleiden, die eine sonderbare Wirkung auf die Menschen erzielt.
Alles blüht.
Nicht nur die Blüten selbst.
Auch die Menschen, die unter ihnen flanieren, spazieren, fotografieren.
Lächeln.
Der Park ist eine Attraktion geworden. Die Blüten, die die Bäume schmücken, sind eine Währung. Ein Must-Have. Ein Lifestyle.
Die sonderbare Wirkung macht vor niemandem Halt. Und alle strömen an diesen Ort, weil er etwas bietet – dieses Gefühl bietet -, das man dort in anderen Zeiten nicht findet.
Es ist ein beinahe ein komisches Gefühl, den kleinen Park so zu sehen.
Denn man kennt diesen Ort.
Und er sieht eigentlich ganz anders aus.
Kalopsia.
The delusion of things being more beautfiful than they really are.
Ich bin bereits vor einiger Zeit auf dieses Wort gestolpert. Ein Neologismus, der auf die griechischen Wörter kalos (schön, gut) und opsis (Sicht) zurückgeht.
Aber weder diese Zusammensetzung, noch die gängige Definition brachten mir den Sinn nahe, den das Wort zu verdeutlichen versucht. Von dem ich zumindest glaube, dass er dies versucht.
Als ich den kleinen Park betrat, der vor Menschen nur so wimmelte, kam mir schlagartig dieser Begriff wieder in den Kopf.
KALOPSIA.
Ich konnte mich nicht an die Bedeutung des Wortes erinnern.
Und dennoch wusste ich plötzlich:
Dieser Park ist eine Kalopsia. Er ist die Metapher schlechthin, die die Definition von Kalopsia versinnbildlicht.
Einmal im Jahr täuscht dieser Ort uns. Für kurze Zeit zwar nur. Ein paar Wochen meist.
Aber er täuscht uns.
Wenn die wunderschönen, rosafarbenen Kirschblüten aufblühen, verwandelt er sich in eine Kalopsia. Eine Täuschung, einen Trugschluss, der uns davon überzeugt, dass er wunderschön ist.
So wunderschön, dass wir nicht anders können, als ihn aufzusuchen.
Ihn zu fotografieren.
Mit ihm aufzublühen.
Er betrügt uns.
Er betrügt uns, indem er vorgibt, etwas zu sein, was er eigentlich nicht ist. Nur optisch ist. Für kurze Zeit ist.
Seine Verfassung zur Blütezeit ist eine Momentaufnahme. Ein Idealbild, das wir begehren, weil wir an der Oberfläche wandeln.
Wir stecken in der Kalopsia
Was ich erst einige Tage später begriffen habe, ist, dass der Park mit den Kirschblütenbäumen nur ein sehr metaphorisches Bild für die Momentaufnahmen ist, in denen wir alltäglich stecken.
Schönheit ist vergänglich.
Und das betrifft uns alle mehr, als wir uns jemals eingestehen. Nicht nur unsere Körper. Sondern alles, was uns umgibt. Wir sind süchtig nach schönen Dingen. Nach Blumenkränzen, die wir uns auf den Kopf setzen. Nach gefüllten Bücherregalen, Sonnenuntergängen, funktionaler Technik, schmuckem Design, nach Komplimenten, Likes, Followern, Medien, Neuigkeiten, Makellosigkeit und Harmonie.
Das ist keine Moralpredigt zu unserem Konsumverhalten. Oder zu unserer Oberflächlichkeit.
Schöne Dinge zu lieben und zu begehren ist wunderbar. Es ist das, was uns Menschen ausmacht. Unsere Talente, die Kunst, Leidenschaft.
Es ist vielmehr eine kleine (österliche) Erinnerung an die Vergänglichkeit der Schönheit. Und an den Trugschluss, den solch eine Momentaufnahme verursachen kann, wenn man dem „rosaroten“ Zauber allzu blind folgt.
Abgesehen von der Tatsache, dass die Kirschblüten-Metapher herrlich zu meiner Definition von „Kalopsia“ beigetragen hat, ist es selbstverständlich absolut wunderschön, im Frühling unter den Kirschblüten spazieren zu gehen. Deshalb schnappt euch eure Liebsten und gebt euch der Momentaufnahme für eine Weile hin. ♥
Fotos von Saskia Käuser
2 Kommentare
Wow, wie schön diese Bilder sind! Der Blumenhaarkranz steht dir mega gut 🙂
Xx Sarah von
http://www.wonderlandblog.de
Danke dir Sarah <3