Wenn der Weg schön ist, lass‘ uns nicht fragen, wohin er führt.

von Jojo

Generation Y (Why). Wenn ich das bei google eintippe, überschlagen sich die Ergebnisse. Jeder Soziologe, jeder Psychologe, jeder Hinz und Kunz hat sich bereits groß und breit dazu geäußert, uns, die Generation WARUM, die „nicht weiß, was sie will“ definiert, sie eingerahmt und irgendwie in eine Kiste gesteckt. Schublade auf, Menschen rein, Schublade zu. Außergewöhnlich an dieser Klischee-Behauptung ist allerdings: Man kann fragen, wen man will – fast alle Mittzwanziger finden sich irgendwie in den Beschreibungen wieder, betrachten das Leben, das vor ihnen liegt mit kritischem Blick und stellen fest: Theoretisch alle Möglichkeiten offen stehen zu haben ist Fluch und Segen zugleich.
Und mir geht’s da nicht anders.

Die Pläne sind gemacht, aber das Ziel fehlt.

Mir kommt es manchmal so vor, als wäre mein Leben wie ein Baukasten. Sagen wir mal, ich spiele es mit den großen Duplo-Steinen unserer Kindheit (90er lassen grüßen!). Dabei hab ich eine gewisse Anzahl an Steinen zur Verfügung, verschiedene Formen und Farben. Ich habe Fähigkeiten, habe gewisse Charaktereigenschaften und bestimmte soziale Voraussetzungen, ohne die – und das wollen wir ja nicht leugnen – unsere Generation Y Luxusprobleme ja überhaupt nicht auftauchen könnten. Das ist meine Lebensausrüstung, das sind meine Duplo-Steine. Damit baue ich mir jetzt schön meine Zukunft zusammen, ein buntes Konstrukt aus lauter verschiedenen Formen und tollen Farben und stelle mich anerkennend nickend davor: „Guter Plan! Mach ich so!“ Ne Woche später schenkt mir jemand einen neuen Duplostein und ich fange wieder an, mir ausgehend von meinem neuen Stein was noch Tolleres aufzubauen. Das andere behalte ich natürlich, stelle es aber erst mal beiseite. Zwar auch noch schön, aber erst mal probiere ich es jetzt mit dem schicken neuen Plan. Bis ich dann wieder ’nen neuen Stein entdecke…
Und mit fast 24 Jahren steht man dann da in seinem eigenen kleinen Museum aus toll geschmiedeten Plänen, die mit Hilfe von Pinterest-Moodboards und YouTube Tutorials sogar noch richtig Farbe bekommen.

Konjunktive, Konjunktive, Konjunktive

Ich habe keine Ahnung, wer ich sein will, wenn ich 45 bin. Ich weiß nicht, wo ich stehen werde, kann mir nicht vorstellen, bis dahin an nur einem Lebensplan zu doktern. Prinzipiell ist mir klar: Ich studiere Lehramt, also werde ich Lehrerin. Und ich seh‘ mich auch in diesem Beruf. Aber ich könnte auch was anderes studieren. Ich könnte mich aber auch später weiterbilden. Ich könnte früh‘ ne Familie gründen. Ich könnte aber auch erst mal Karriere machen und mich später zur Ruhe setzen. Ich könnte hier auch alle Zelte abbrechen, ins Ausland gehen und schauen, was auf mich zu kommt. Oder ich könnte endlich mal‘ aufhören damit, mir ständig neue Pläne zu schmieden, Möglichkeiten zu sammeln und mir immer wieder neue Hintertürchen zu öffnen. Aber ich tu’s trotzdem. Einfach, weil ich es kann. Und weil ich es möchte. Und vielleicht auch, weil ich es brauche. Machen ja alle so.

„Fokussier dich!“, haben sie gesagt…

Was die Eltern und andere Erwachsene (so richtig Erwachsene) mit oder ohne Autorität nicht verstehen, ist, dass die Sache mit dem Fokussieren gar nicht so einfach ist, wenn man in einer Zeit der 1000 Möglichkeiten aufwächst. In einer Zeit, in der jeder alles kann, alles macht, alles hat. In der wir das, was wir nicht können und was wir nicht sind einfach wegretuschierten, Fehlentscheidungen umtauschen und stattdessen das konsumieren und ausleben, was uns gerade gefällt. Moderne Medien machen’s möglich.  Auf was soll ich mich denn fokussieren? Auf das was ich kann, auf das, was mir gefällt oder auf das, was ich sein werde? Ich will ja eigentlich von allem ein bisschen haben, sein, können. Will am liebsten allen gerecht werden und sie dennoch beeindrucken mit meiner vielfältigen Einzigartigkeit. Will nicht in der Masse untergehen, aber auch nicht meine Freiheit preisgeben.

Vor allem aber will ich nicht nach dem Ziel fragen, weil mir der Weg so gut gefällt.

Ich weiß: so lautet keine klassischer Lebensplanung.
Aber nun stehen wir alle hier, mitten in unseren Museen aus Duplosteinen, die in liebevoller Kleinstarbeit zu Plänen verarbeitet werden, an denen wir immer wieder feilen, sie umwerfen,  neu aufbauen und voller Eifer wieder zusammensetzen.
Wir wollen perfekt sein, aber in dem Wissen, dass wir es niemals sein werden. Wir wollen individuell sein, in dem Bewusstsein, dass wir nur eine/r von Vielen sind. Für mich ist es in Ordnung, immer wieder an meinem Ziel zu arbeiten, denn schließlich bin ich ja auch kein statisches Objekt, sondern eine dynamische Person. Wir verändern uns. Unsere Wege verändern sich. Warum nicht auch unsere Ziel anpassen?

Wenn der Weg schön ist, lass‘ uns nicht fragen, wohin er führt.

Na gut, man sollte sich schon fragen, wohin er führt. Und das machen wir ja auch. So grob.
Doch trotz aller Kritik am Phänomen der Generation Y gefällt mir unser Lebensstil. Mir gefällt, dass wir frei sind. Mir gefällt auch, dass wir wollen, weil wir können und nicht müssen. Und mir gefällt, dass Wege mindestens genauso bereichern können wie Ziele. Vielleicht sogar noch mehr. 
Und vielleicht besteht unser Fokussieren eben darin, den für uns bestmöglichen Weg zu finden, statt die Lösung herbeizuführen.

In Mathe gäbe das zumindest Punkte für den Rechenweg.

jolimanoli_herz

 

 

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2 Kommentare

Mel 21. September 2016 - 9:12

Liebe Jojo,
ich bin gerade auf deinen Blog gestoßen, habe mich durch die Beiträge geklickt und muss sagen:
ich find es toll wie du schreibst! Irgendwie frei Schnauze, locker, lässig und doch scheinst du da einen Trick zu haben, wie der Leser am Ball bleibt.
Ich kann jedes Wort aus deinem Beitrag absolut nachvollziehen und steh voll auf die Duplo Metapher 😀
Und außerdem: für den Rechenweg gabs eh immer mehr Punkte als fürs Ergebnis (das kann man sich nämlich viel leichter irgendwo abgucken!)!
Grüßle,
Mel

Reply
Jojo 27. September 2016 - 11:02

Danke für das tolle Kompliment! Das freut mich extrem 🙂

Reply

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